Risiken in Chancen verwandeln: Mitarbeitende treiben Wandel

Von Dennis Böcker und John Stepper

Klimakrise, künstliche Intelligenz, Kriege, globale Trends, technologische Fortschritte oder soziale Krisen - die Welt dreht sich gefühlt immer schneller, worauf Unternehmen reagieren müssen und agieren wollen: Sind diese Veränderungen Bedrohungen, gegen die es sich zu wehren gilt, oder Chancen, die wir nutzen sollten? Wie wäre es denn, wenn wir diese Veränderungen, die oft als (die im Rahmen von Gesetzgebungen) Belastung oder Risiko wahrgenommen werden, als Chance und als Startpunkt für Innovationen innerhalb des Unternehmens sehen? Innovation von innen heraus, wenn wir es schaffen, die Mitarbeitenden im besten Maß einzubinden. 

 

Als Beispiel wollen wir hier die Regeln ansehen, die sich aus den Umwelt-, Sozial- und (Corporate) Governance-Zielen (ESG) der Vereinten Nationen ergeben. Unternehmen setzen die ESG oftmals mit einem zwangsläufigen Dilemma gleich, statt darin eine Veränderung zu erkennen, die einen bedeutenden positiven Wandel vorantreibt. Ist das Glas nun aber halbvoll oder halbleer?

 

Das halbleere Glas...

 

Wenn das Management im Unternehmen beispielsweise neue oder herannahende ESG-Vorschriften als Problem oder (besser) als positiven strategischen Veränderungsfaktor erkennt, ergeben sich in der Regel zwei typische Szenarien, die sicher vielen bekannt vorkommen:

  • Die offizielle Kommunikation an alle: Hochtrabende strategische Übersichten und Ziele im Zusammenhang mit ESG-Vorschriften wie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) in Europa oder SEC (Securities and Exchange Commission) in den USA werden in Form von kurzen Videos und Lernmodulen vermittelt, um alle Mitarbeitenden auf einmal zu informieren.
  • Die offizielle Unternehmensinitiative: Ein strukturiertes Programm, das mit Budgets, Hierarchien, KPIs und Berichtsmechanismen ausgestattet ist, wird von den Mitarbeitenden durchlaufen und bekommt durch diese Verpflichtung den Anstrich des “notwendiges Übels” und wird so zu einem weiteren Programm unter vielen.

Beide Methoden sind wichtig, verpassen aber die Chance, die Mitarbeitenden umfassend aktiv einzubinden und damit das kollektive Wissen der Belegschaft zu nutzen. Für den Großteil der Mitarbeitenden sind diese Punkte (selbst wenn sie die Grundlage für gesetzliche Regelungen und Maßnahmen sind) weit weg und für ihre tagtäglichen Aufgaben irrelevant. Selbst engagierte Menschen, denen bestimmte Aspekte wie Nachhaltigkeit persönlich wichtig sind, wissen oft nicht, welche Initiativen das Unternehmen konkret ergreift oder wie sie dazu beitragen können, und engagieren sich daher trotz allem nicht.

 

...oder das halbvolle Glas?

 

Wie können wir nun aber als Unternehmen aktiv sein und Herausforderungen als Chance ergreifen, die vielleicht gar nicht unserem ureigensten Unternehmenszweck zugehörig sind? Um das Potenzial in der Belegschaft wirklich ausschöpfen zu können, müssen Unternehmen Lernprogramme interaktiv, zielorientiert gestalten und außerdem optimal für die Interaktion innerhalb von Gruppen und Netzwerken. Mitgestaltungsprogramme wie diese bekräftigen die Mitarbeitenden darin, ihre persönlichen Vorstellungen und Ziele in den Unternehmenszielen zu suchen und zu finden. 

 

Dies fördert wiederum ein höheres Engagement der Einzelnen, ein verbessertes Zugehörigkeitsgefühl und damit eine höhere Resilienz der Organisation. Als wunderbarer Nebeneffekt werden ganz neue Quellen für interne Innovationen erschlossen.

 

Vom Lernhäppchen zum vollen Menü: Soziales Lernen zur Steigerung des Engagements nutzen

 

Lernhäppchen als obligatorisches Programm, das alle durchlaufen müssen (z.B. für Nachhaltigkeit) sind wie kleine Snacks - für einige ausreichend, aber viele Mitarbeitende sehnen sich nach dem kompletten Menü - nach einer umfassenden Beteiligung. Ein soziales Lernprogramm (Stichwort “gemeinschaftliches Lernen”) ermöglicht es diesen Menschen, mehr zu lernen und sich aktiv einzubringen, um ein bedrohlich wirkendes Szenario von außerhalb in eine Chance für die Organisation umzuwandeln. 

 

Soziales Lernen als Grundlage für eine Kultur des unternehmerischen Handelns

 

Beim sozialen Lernen geht es um gemeinsame Interessen, um die Förderung eines fruchtbaren Austauschs miteinander und um gemeinsames Handeln.  Ein Programm, das speziell auf ein Thema ausgerichtet ist, ermöglicht es, diejenigen Mitarbeitenden zu identifizieren und zu vernetzen, die eine hohe intrinsische Motivation für genau dieses Thema (beispielsweise ESG) haben. Sie bilden kleinere Peer-Gruppen, die im Verlauf gemeinsam lernen und Dinge ausprobieren können. Sie können sich darauf verlassen, dass sie die Unterstützung des Managements und der gesamten Organisation haben. Dabei werden sie darin bekräftigt, sich mit Mitarbeitenden in anderen Unternehmensbereichen zu vernetzen, die ihre Interessen teilen oder sie ganz einfach mit ihrem Wissen weiterbringen können. Das Ziel ist es, dass sie gemeinsam konkrete Maßnahmen ergreifen und ihre Ziele voranbringen.

 

Dadurch, dass sie sich der vollen Unterstützung der Organisation bewusst sind, werden sie ihre Ideen, Ressourcen und Fortschritte bewusst mit anderen teilen und kommunizieren und so zu Role Models werden. Dieser Support im Unternehmen stellt sicher, dass sie sich in einem psychologisch sicheren Umfeld bewegen, in dem sie ihre Lernziele verfolgen und ihre Ideen weiterentwickeln können, um beste Ergebnisse für das Unternehmen zu erzielen.

 

Wenn ein Unternehmen vom passiven Lernen zum sozialen Lernen übergeht, zapft es die intrinsische Motivation der Mitarbeiter an und befähigt sie dadurch, einen aktiven Beitrag zu den Zielen und Initiativen des Unternehmens zu leisten.

 

Innovationen entstehen

 

Mitarbeitende wollen mehr zum Gesamten beitragen, wenn sie merken, dass ihr persönlicher Beitrag gesehen und wertgeschätzt wird. Der Anteil dieser Menschen wird immer größer, je mehr solche Initiativen vom Unternehmen lanciert und gefördert werden. Wie können wir nun aber sicherstellen, dass das Unternehmen bestmöglich profitiert? Zunächst müssen wir gewährleisten, dass ihre Ideen in die Innovations- und Intrapreneurship-Programme der Organisation kanalisiert werden. Das Ziel ist, dass die Organisation, die früheren "Belastungen und Bedrohungen" (die von den neuen Herausforderungen ausgehen) ins Positive kehrt. 

 

Nächste Schritte:

  1. Ideen einfordern und fördern: Die Mitarbeitenden unterstützen bestehende Projekte mit ihren Ideen oder entwickeln Ansätze für neue Innovationen. Vielversprechende Ideen werden geprüft und gemeinsam im Unternehmen mit anderen Fachleuten weiterentwickelt.
  2. Übergang zum Innovationsprogramm des Unternehmens: Ausgewählte Ideen werden in die Innovations- oder Intrapreneurship-Programme aufgenommen, je nach definierten Kriterien für Aufnahme und Ausstieg.

Organisatorische Resilienz

 

Eine stärkere Einbindung und Mitwirkung der Mitarbeitenden ermöglicht es dem Unternehmen, die externen Veränderungsfaktoren proaktiv, offen und kreativ anzugehen, anstatt nur passiv darauf zu reagieren - agieren statt reagieren! Engagierte Mitarbeitende tragen zur Resilienz der Organisation bei, was in der heutigen Zeit von VUCA- (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) und BANI (brittle, anxious, non-linear und incomprehensible: spröde, ängstlich, nichtlinear, unverständlich) unabdingbar ist.

 

Die Arithmetik dahinter

 

Nehmen wir ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitenden. Wenn sich 10 % intensiv mit einem bestimmten Ziel befassen, sprechen wir von 1.000 Mitarbeitenden, die besser ausgebildet sind. Wenn 10 % von ihnen (1 % insgesamt) konkrete, umsetzbare Ideen entwickeln und einbringen, sind das 100 Mitarbeitende und Ideen. Selbst wenn nur 5 % dieser Ideen weiterentwickelt werden, sind das fünf neue Projekte im Portfolio des Unternehmens mit potenziellen finanziellen und wertschöpfenden Auswirkungen. 5 Projekte, die sonst nicht auf dem Tisch wären.

 

Die Vorteile auf einen Blick

 

Wenn wir uns beispielhaft das Thema Nachhaltigkeit ansehen, können wir durch die Umsetzung eines umfassenden und integrativen Konzepts des sozialen Lernens viel für das Unternehmen erreichen: von mehr Engagement bis zu neuen Produkten und / oder effizienteren Prozessen.

  • Höheres Engagement der Mitarbeitenden:

Mitarbeitende, die sich mit bestimmten Nachhaltigkeitsinitiativen persönlich verbunden fühlen, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit motiviert und engagiert bei ihrer Arbeit. Sie fühlen sich wertgeschätzt und entdecken eher eine Übereinstimmung ihrer persönlichen Werte mit den strategischen Zielen des Unternehmens.

  • Zugehörigkeit:

Mitarbeitende entwickeln ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit zum Unternehmen, wenn sie sich aktiv einbringen. Es wird ein kollaboratives Umfeld gefördert, in dem jeder das Gefühl hat, dass sie zum gemeinsamen Ganzen beitragen.

  • Innovationen:

Engagierte Mitarbeitende bringen vielfältige Perspektiven und Ideen für innovative Lösungen ein, die mit traditionellen Top-down-Ansätzen nicht entdeckt worden wären. Unternehmen, die die kollektive Kreativität der Belegschaft nutzen, schreiten in Sachen Nachhaltigkeit und anderen strategischen Bereichen schneller voran.

  • Resilienz der Organisation:

Eine Belegschaft, die gut miteinander vernetzt ist und aktiv zu den Bemühungen um bestimmte Ziele beiträgt, ist auch gut darauf vorbereitet, auf andere externe Veränderungen mit Flexibilität und Kreativität zu reagieren. Durch den proaktiven Ansatz können sich Organisationen gut auf neue Herausforderungen einstellen, unabhängig davon, ob sie mit Umwelt, Gesellschaft, Governance, Technologie oder anderen externen Faktoren zusammenhängen.

  • Das Image:

Unternehmen, die ihr Engagement für Nachhaltigkeitsziele zusätzlich zu gesetzlichen Regeln umsetzen, verbessern so ihr Image gegenüber verschiedenen Stakeholdern, einschließlich Kunden, Investoren, zukünftigen Mitarbeitenden (War for Talents) und der breiteren Öffentlichkeit. Dies führt letztlich zu einer stärkeren Loyalität, einer besseren Marktpositionierung und Wettbewerbsvorteilen.

  • Effizienz:

Indem sie unterschiedliche Lösungen aus dem Nachhaltigkeit-Spektrum oder einem anderen Treiber in die alltäglichen Abläufe integrieren und die Mitarbeitenden dazu ermutigen, die Augen offenzuhalten, um Verbesserungen zu erkennen und umzusetzen, werden Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren, Kosten senken, an Themen der Vielfalt und des technologischen Fortschritts arbeiten, die allgemeine betriebliche Effizienz verbessern und so viel mehr.

  • Langfristige strategische Ausrichtung:

Die Ausrichtung der ausgewählten Initiativen auf die langfristigen strategischen Ziele des Unternehmens unterstützt einen kohärenten und zielgerichteten Ansatz für Wachstum und Entwicklung. Es muss sichergestellt werden, dass diese Initiativen auf die Unternehmensziele einzahlen und deren Wirkung maximiert wird.

 

Ausweitung über Nachhaltigkeitsinitiativen hinaus

 

Natürlich wollen wir uns hier nicht auf Nachhaltigkeit beschränken, sondern es nur als ein Beispiel verstehen. Social Learning Initiativen sind im Gegenteil in hohem Maße auf andere externe Veränderungsfaktoren übertragbar, wie technologische Fortschritte, künstliche Intelligenz, finanzielle Unwägbarkeiten, Markt- und Gesellschaftsveränderungen, gesetzliche Vorschriften oder geopolitische Verschiebungen. Unternehmen, die solch einen integrativen, engagierten Ansatz bei jeder größeren Veränderungsinitiative nutzen, fördern intensiv eine Kultur der Anpassungsfähigkeit und kontinuierlichen Verbesserung. Wenn wir uns beispielsweise das Wachstum von Anwendungen in der künstlichen Intelligenz (KI) ansehen, können Unternehmen ähnliche soziale Lerntechniken einsetzen, um Mitarbeitende weiterzubilden, innovative Anwendungen von KI zu fördern und neue Technologien nahtlos in das Geschäftsmodell zu integrieren. 

 

Unternehmen müssen trotz immer neuer externer Veränderungen agil, innovativ und widerstandsfähig bleiben und potenzielle Bedrohungen in Chancen für Wachstum und Entwicklung verwandeln. Agieren statt reagieren!

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